Podiumsdiskussion Landtagswahl 2010 - sowiforum-thgs jimdo page!

Hausaufgaben gemacht

 

SÜD. Vielleicht liegt es an seinem grünen T-Shirt, das sich Rolf Nowak für die Podiumsdiskussion im Bürgerhaus angezogen hat. In der Vorstellungsrunde bekommt der Landtagskandidat der Grünen von den 250 Süder Gymnasiasten jedenfalls den meisten Applaus.

Dagegen erntet Erich Burmeister zur Begrüßung von den Linken neben verhaltenem Beifall auch ein paar Buh-Rufe. Anderthalb Stunden wollen die Jugendlichen des Theodor-Heuss-Gymnasiums alle fünf Direktkandidaten für die Landtagswahl ausfragen. Für viele ist es die erste Landtagswahl, an der sie selbst teilnehmen dürfen. Die Diskussion ist eine Gelegenheit, die die Schüler nutzen werden. Auch mit kritischen Tönen.

Gleich zu Anfang zeigt sich, wie unterschiedlich Wahrnehmung im Wahlkampf sein können. Während Benno Portmann (CDU) damit wirbt, dass seine Partei in NRW 8000 Lehrer eingestellt habe, und Christoph Drozda (FDP) davon spricht, dass der Unterrichtsausfall halbiert worden sein, konstatiert Andreas Becker mit Blick zurück schlicht "fünf verlorene Jahre für NRW".
Die Moderatoren und das junge Publikum haben ihre Hausaufgaben gemacht. Es geht um die von der SPD geforderte Gemeinschaftsschule. Eine Schülerin steht auf: "Droht da nicht ein Einheitsbrei, bei dem gute Schüler auf der Strecke bleiben können?" Becker und Nowak kontern mit "16000 Sitzenbleibern in NRW" und zu wenig Anmeldungen für die Hauptschule. "Wir wollen die Schüler und Schulen mit unserem Modell nicht ärgern", erklärt Becker. "Wir wollen Chancengleichheit."

Dann muss sich Erich Burmeister erklären. "Sie versprechen kleinere Klassen und kostenlose Bücher und Schulessen", zählt ein Schüler auf. "Wer soll das bezahlen?" Burmeister spricht von Umverteilung, es sei ja genug Geld da. Nur bei den falschen Leuten. Eine Folge des Neoliberalismus. Neoliberalismus ist eines seiner Lieblingswörtern heute.

Dann die nächste Frage: "Mit welchem Recht wollen Sie Topverdienern mehr Geld abnehmen?" Antwort Burmeister: "Mit welchem Recht verdient jemand viel weniger Geld, auch wenn er genauso lange arbeitet?"
FDP-Mann Drozda versucht, die Linke ausgerechnet mit Karl Marx zu ärgern. Der habe auch von Freiheiten geschrieben und nicht nur von Gleichmacherei. Dann redet der Liberale über Frikadellen, solche, die beim Verzehr zur Kündigung führen können. Seine Meinung ist deutlich: "So etwas ist Diebstahl. Auch wenn es nur eine Frikadelle ist. Das gehört sich nicht."

Unruhig wird es im Saal, als Rolf Nowak sagt, dass die große Karriere und ein lukrativer Job vor allem von einem Faktor abhängen: Glück. Das sehen die Schüler anders. Vielleicht hat er sich nur unglücklich ausgedrückt.
Benno Portmann fordert schließlich auf Nachfrage eine landesweit einheitliche Handhabung von Kopfnoten. Bislang legen die Schule ihre Standardnoten selbst fest. Mal ist der Standard eine Eins, mal eine Zwei. "Das Petrinum ist immer eine Note besser als wir", klagt ein Schüler.

In 90 Minuten hasten alle Beteiligten durch die großen Themen der Landespolitik: Mindestlohn, Leiharbeit, Studiengebühren. Die Diskussion könnte noch Stunden lang weiter gehen. Die Wahlkämpfer haben viel zu sagen, die Jugendliche viele Fragen.

Dass sich seine Schüler für Politik interessieren, ist für Sowi-Lehrer Tarkan Sengör nicht überraschend. "Wir müssen die Schüler da abholen wo sie stehen", meint er. "Wir müssen ihnen das Gefühl geben, dass sie mit ihrer Stimme oder ihrem Engagement etwas ändern können."

RZ 30.04.2010

Nach oben Standard Ansicht